Aus dem "Arbeitsalltag" zweier Praktikantinnen
Herne, 09.09 Uhr. Lagebesprechung vor dem Depot im Keller. Der Projektleiter bittet um Aufmerksamkeit und das geschäftige Treiben hält für einen Moment inne. Der Haustechniker steigt seine Leiter hinab, die Gestalterin hängt noch schnell ein Bild auf, die Restaurator*innen rücken den Schädel zurecht, kurz: alle fleißigen Bienchen hören auf zu Summen. Es geht um die essentiellen Fragen des Überlebens im LWL-Museum für Archäologie Herne: Wann kommen die externen Restaurator*innen und Kurier*innen? Welche Leihgeber sind im Haus? Welche Vitrine muss noch geputzt werden? Welche Bilder müssen noch aufgehängt werden? Neben der Logistik spielt aber auch die Moral eine wichtige Rolle: Gibt es frischen Kaffee? Ist die Kekstüte noch voll? Hat jemand Kuchen gebacken?
Auf diese letzten Tage vor der Ausstellungseröffnung hat das Museum mehr als 2 Jahre hingearbeitet. Ganz am Anfang standen Recherche, Konzeption und erste Gestaltungsideen, die sich zu einem umfassenden Gestaltungskonzept entwickelten. Exponatanfragen und Leihverträge, viele Telefonate, zahllose Emails und Excel-Listen, handwerkliche Vorarbeiten der Schreiner und des Haustechnikers, das Verfassen von Ausstellungs-und Katalogtexten und nicht zuletzt der Katalogdruck folgten.
Für die große Pestdoktor-Maske-Bastelaktion haben sich die Herner*innen besonders engagiert: Hier wurden 275 Pest-Masken (gefühlte Tausend!) gebastelt, die später in mühevoller Kleinarbeit auf Holzleisten und dann an einer großen Wand in der Ausstellungshalle befestigt wurden.
Auf dem Cranger-Kirmesumzug konnte Herne dann endlich aufatmen: Die Museumsmitarbeiter*innen befreiten die Stadt von der Pest! Rosie, die Pestratte, ist eingefangen und unschädlich gemacht.
Nach einer Woche intensiver Zusammenarbeit in den gut klimatisierten Räumlichkeiten der Sonderausstellung ist eines klar: Je höher die Leiter, desto dümmer die Sprüche.
Inzwischen ist die Dolliervitrine zum Horror einer jeden Praktikantin geworden und der Putzlappen zum besten Freund. Ständig sind sie auf der Suche nach „Peters Werkzeugwagen“ und fragen sich: Wo liegt eigentlich der nächste Zollstock? Der Glasreiniger stand doch gerade noch am Eingang, oder? Direkt neben der Wasserwaage? Mutig streifen die Praktikantinnen auf der Suche nach menschlichen Fingerabdrücken durch den Scheibenwald der Sonderausstellung. Auch der letzte Fettfleck muss gebändigt werden. Waghalsig hangeln sie sich vom Gerüst zur nächsten Leiter, beweisen größtes Fingerspitzengefühl beim Ausrichten der Glastablare und perfektionieren das Schließen der Vitrinen.
Aber es gibt nicht nur eine, nein! Die Typologie der Vitrinen ist unerschöpflich: „Halterner“-Vitrinen, Dolliervitrinen, Wandvitrinen, Podestvitrinen, mit Silicagel-Fach, mit Klimagerät, mit Sand beschwert, verschraubt oder alarmgesichert. Wurde etwa gerade Plexiglas mit Glasreiniger geputzt? Hat sich der Rattenkönig nicht eben bewegt? Oder hat Alexandre Yersin gerade gezwinkert?
Romane mussten im Erinnerungskabinett platziert, Schlumpfinchen alias „Pestifera“ auf ihr Sprungbrett gestellt und Passepartouts für Zeitungsausschnitte und Urkunden zugeschnitten werden. Wer Multitasking beherrscht, ist klar im Vorteil!
Bevor sich der Ausstellungswahnsinn ins Unermessliche steigert, durchbricht ein Ruf die Konzentration der Museums-Praktikantinnen: Mittagspauuuuseee! Auf zum Markt! Dort gibt es Backfisch. Immer frisch, immer lecker.
Am Tag vor der Eröffnung sind die Füße schwer wie Blei, aber wir schenken uns alle ein zufriedenes Lächeln. Vom Leihvertrag über den Transport bis hinein in die Vitrine konnte der Weg der ca. 300 Exponate aus London, Marseille, Münster oder Castrop-Rauxel mit neugierigen Blicken verfolgt werden. Es hat sich wirklich gelohnt: Was eine besondere und abwechslungsreiche Zeit für ein Praktikum!
PS: SIND DIE PAPIERRESTAURATOREN NOCH DA?
Samira Wessing & Catharina Gerets